Miszellaneität und Serialität in Journaltexturen

22.-23. November 2018 | Universität zu Köln

Veranstaltet von Teilprojekt 1 der DFG-Forschergruppe 2288 »Journalliteratur: Formatbedingungen, visuelles Design, Rezeptionskulturen«

Miszellaneität und Serialität sind zwei der zentralen Formatbedingungen der periodischen Presse, die in der anglistischen Zeitschriftenforschung in Anlehnung an Michael Bachtin als zentrifugale und zentripetale Kräfte in Journaltexturen verstanden werden (vgl. Cynthia Bandish; James Mussell). Miszellaneität sorgt für eine breite Leseradressierung, indem sie diverse kurze oder auf Fortsetzung hin angelegte Textsorten, Bildformate und mannigfaltige heterogene Themen mischt. Serialität sorgt für Leserbindung, indem sie über die Wiederholung formaler Elemente und Strukturen, wie Titelvignetten, Layout, Schrifttypen, Papierformat, Einband, Abfolge und Anordnung von Rubriken und/oder Textsorten etc., eine Medienordnung etabliert, die konkrete Formate wiedererkennbar macht und Erwartungshorizonte etabliert, dabei aber zugleich stets variabel genug bleibt, um das Aufkommen von Langeweile zu vermeiden und sich ggfs. einem wandelnden Publikumsgeschmack anzupassen.

Davon ausgehend interessiert sich der Workshop zum einen auf einer medialen Makroebene für Miszellaneität und Serialität als grundsätzliche Formatierungen von Journaltexturen, deren ökonomischen und drucktechnischen Voraussetzungen allerdings konkret nachvollzogen werden müssen. Wie lassen sich solche Formatbedingungen theoretisch beschreiben? Wie produktiv ist der Anschluss an Bachtin Dialogizitäts- und Hybrizitätskonzepte? Oder könnte evtl. ein von der ANT-inspirierter Zugriff hilfreich(er) sein? An welche weiteren wissenschaftlichen Konzepte ließe sich anschließen?

Zum anderen sollen auf einer konkreten Mikroebene die vielfältigen miszellanen und seriellen Textformen, narrativen Strukturen und Inhalte innerhalb von Journaltexturen in den Blick genommen werden, die sich auf der Basis dieser Formatbedingungen etablieren – von sequentiell erzählten Fortsetzungsromanen, über episodisch-serielle Erzählstrukturen bis hin zu thematisch gebundenen Artikelreihen oder wiederkehrenden Rubriken. Welche besonderen Anforderungen stellen die Formatbedingungen an miszellane und serielle Inhalte und Textsorten? Welche unterschiedlichen Formen von Serialität (Sequentialität; Episode; Reihe …) lassen sich differenzieren? Welche Arten von Miszellaneität (Miszelle als Textsorte in Abgrenzung von Barthes’ fait-divers; Miszellen als Rubrik und als Zeitschriftenformat; Digressionen, Montage und Collage in Erzähltexten…) lassen sich beobachten?

Daran anschließend wird vor allem nach dem spezifisch ästhetischen Potential von Miszellaneität und Serialität zu fragen sein. So etabliert Miszellaneität ein nachbarliches Nebeneinander von mannigfaltigen Text-/Bildsorten und Themen und schafft so »kleinteilige und niedrigschwellige Kontaktzonen« (Gustav Frank), die wechselseitige Kontextualisierungen, aber auch reziproken Austausch ermöglichen, im Rahmen dessen nach dem Prinzip der Kontiguität räumliche Nachbarschaft auch semantisch signifikant werden kann (vgl. Moritz Baßler). Unter welchen Bedingungen oder aus welcher Perspektive (einer produktions- und/oder rezeptionsästhetischen) ist dies der Fall? Welche spezifische Art von massenmedialer Ästhetik bringt im Vergleich damit Serialität mit ihren widerstreitenden Tendenzen von Wiederholung und Differenz, bzw. Schema und Variation hervor? Und vor allem, wie lässt sich diese praktisch analysieren und theoretisch beschreiben? Kann dabei der Rekurs auf Methoden der Digital Humanities hilfreich sein? Oder auf Konzepte der Fernsehforschung? Schließlich: Welches ästhetisches Potential bringt das Zusammenspiel von Miszellaneität und Serialität hervor? Können serielle Erzählstrukturen in der Literatur traditionelle Plotstrukturen als zentripetale Kräfte ersetzen, die das literarische Werk trotz der zentrifugalen Kräfte eingeflochtener miszellaner Digressionen und mannigfaltiger Themen und Diskurse zusammenhalten? Oder ist vielmehr eine potentiell unendliche und damit auf beständige Fortsetzung ausgerichtete Variabilität (vgl. Umberto Eco) der Kern einer solchen kombinatorischen Ästhetik?

Der Workshop wird von der Forschergruppe Journalliteratur veranstaltet, versteht sich aber als offenes Diskussionsforum, das allen zeitschriftenaffinen Forscherinnen und Forschern offensteht. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, wird allerdings um vorherige Anmeldung bis zum 08.11.2018 an Natascha Pohlmann (natascha.pohlmann@uni-marburg.de) gebeten.

Veranstaltungsorte

Donnerstag, 22.11.2018
a.r.t.e.s. Graduiertenschule | 3. O.G. »Skyfall«
Aachener Str. 217 | 50931 Köln

Freitag, 23.11.2018
Hauptgebäude | »Alter Senatssaal«
Albertus-Magnus-Platz | 50923 Köln

Programm (Programmflyer als PDF)

Donnerstag, 22.11.18

14:30-15:00 Daniela Gretz (Köln)
Miscellaneity and Seriality in Journal Textures: An Introduction
15:00-16:00 Nicolas Pethes (Köln)
Serializing the Homeland: Centripetal and Centrifugal Elements in Herman Schmid’s Der Heimgarten and Adalbert Stifter’s Nachkommenschaften
Kaffeepause
16:30-17:30 James Mussell (Leeds)
Issues, Extras, and Indexes: Archiving the Contemporary with W.T. Stead
17:30-18:30 Leigh York (Cornell)
(In)finite Episodes: The Serial Aesthetics of Art and Life
19:00 Gemeinsames Abendessen

Freitag, 23.11.18

9:30-10:30 Marcus Krause (Köln)
Die Zeitung als Produzent. Miszellanes Schreiben bei Walter Benjamin und Robert Walser
10:30-11:30 Moritz Baßler (Münster)
Paradigmenbildung und Kontiguitätsbeziehung am Beispiel einer populären Zeitschrift (Twen)
Kaffeepause
12:00-13:00 Gabriele Schabacher (Mainz)
›Ethnographic Insights‹. Serial Rhythms of Intensification in Current TV Series