Sammlungsformate. Praktiken des Wiederabdrucks zwischen Anthologisierung des Periodischen und Periodisierung der Anthologie (TP 7)

Zusammenfassung

Das Projekt »Sammlungsformate« dehnt das medienhistorische Interesse an Journalen als Orte der Erstpublikation von Literatur auf anthologische Medien aus, die an der Etablierung einer Journalkultur des 19. Jahrhunderts beteiligt sind. Im Zentrum des Interesses stehen daher Anthologien, die in systematischem Zusammenhang mit journalförmigen Publikationen stehen oder aus diesen entstanden sind. Im Verlauf der Projektarbeit werden exemplarisch solche Anthologien untersucht, die Journalliteratur sammeln und erneut abdrucken, publizistisch im direkten Zusammenhang mit Journalen erscheinen oder ihrerseits (quasi)periodischen Publikationsweisen unterliegen. Auf diesem Wege sollen die Voraussetzungen für und der Stellenwert von vielfältigen Praktiken des Wiederabdrucks im Kontext einer Medienliteraturgeschichte des 19. Jahrhunderts bestimmt werden.

Journalaffine Sammlungen werden verstanden als Folge von Praktiken des Wiederabdrucks, die im Spannungsfeld von gegenwartsnahen und auf Dauer hin perspektivierten Publikationsformen agieren.  Anthologien werden also nicht vorderhand festgelegt auf die Rolle von Kanonizität verbürgenden überzeitlichen Medienformaten, die unidirektional ›ephemere‹ Journalliteratur in eine kulturelle Beständigkeit verheißende buchförmige Sammlung überführen. Vielmehr setzt sich das Teilprojekt zum Ziel, jene medienformatspezifischen Vorstellungen von Zeitlichkeit und Zeitbezogenheit, die sich in der Überschneidung von Anthologisierung und Periodisierung ergeben, erst zu rekonstruieren. Dabei wird die Projektarbeit von der Hypothese geleitet, dass unterschiedliche Sammlungs­formate differente mediale Zeitlogiken ausbilden, die mehr oder weniger stark auf die zeitgenössische Gegenwart bezogen sind. Insbesondere die Publikation und Republikation zeitgenössischer Lyrik wird im Projektgrundriss als ein Testfall betrachtet, der es erlaubt, temporale Implikationen periodischer und buchförmiger Medienformate zu untersuchen. Journalnahe Anthologien können als Resultat von Praktiken des Wiederabdrucks – so die zu überprüfende Hypothese – entsprechend mediale Zeitlogiken zur Beobachtung bringen. Das Projekt setzt sich unter diesen Prämissen zum Ziel, Anthologien als Mittler zwischen auf Flüchtigkeit und auf Dauer abgestellten Publikationsformen zu untersuchen.

Das Projekt »Sammlungsformate« akzentuiert über die Frage nach Praktiken des Wiederabdrucks von Journalliteratur zweitens die rezeptionskulturelle Bedeutung von Anthologien. Gerade die Anthologisierung gegenwartsnaher Journalliteratur wird in diesem Zusammenhang verstanden als Rezeptionshandlung, die über ihre temporale Codierung ihrerseits spezifische Formen der Rezeption ermöglicht. Untersucht werden soll daher, wie medienformatübergreifende Rezeptions­vorgänge zwischen Journal und Anthologie gestaltet und diskursiviert werden und wie seinerseits durch die konkrete paratextuelle Gestaltung und editoriale Rahmung von Anthologien neue Rezeptionsweisen und Lektürepraktiken nahegelegt werden. Anthologisches Sammeln von Journalliteratur wird solchermaßen als spezifische Form des Medien­gebrauchs vor dem Hintergrund urheber­rechts­geschichtlicher Entwicklungen und technisch-ökonomischer Neuerungen sowie kultureller Praktiken rekonstruiert.

Ziel des Projektes »Sammlungsformate« ist es, mediale Übergänge, funktionale Über­schneidungen und Rezeptionsprozesse zwischen periodischen Publikations­formen und anthologischen Sammlungen beobachtbar zu machen sowie deren Voraus­setzungen zu rekonstruieren. Zu diesen Voraussetzungen gehören insbesondere die spezifischen urheberrechtlichen Rahmenbedingungen, die im 19. Jahrhundert erst allmählich kodifiziert werden, dabei aber sowohl für die periodische Presse als vor allem auch für anthologisierende Praktiken des Wiederabdrucks bedeutsame Ausnahmeregelungen vorsehen. Periodische und monographische Formate werden als zwei Pole möglicher Publikationsformen gesehen, doch zielt das Erkenntnisinteresse auf das breite Spektrum dazwischen, das diese Unterscheidung unterläuft. Das Teilprojekt setzt sich zum Ziel, das heterogene Feld divergenter Medienformate zwischen Anthologisierung des Periodischen und Periodisierung der Anthologie als Ausprägungen einer ›serial culture‹ des 19. Jahrhunderts zu verstehen.