Internationaler Workshop, veranstaltet von Vincent Fröhlich (Teilprojekt 8 der DFG Forschergruppe Journalliteratur) und Madleen Podewski (Freie Universität Berlin)
03.-04. Februar 2022, Philipps-Universität Marburg/online
DDR-Zeitschriften spielen in der Presseforschung so gut wie keine Rolle. Abgesehen von den wenigen dissidenten Untergrundjournalen gelten sie nach wie vor, zusammen mit Tageszeitungen, Rundfunk und Fernsehen, als „schärfste Waffe der Partei“ (Gunter Holzweißig 2002). Sie bieten, so die gängige Einschätzung, nichts anderes als immer wieder dieselbe sozialistische Ideologie – kennt man die Parteiprogramme, kennt man auch sie. Zweifellos werden Zeitschriften in der DDR, noch ganz im Sinne der marxistisch-leninistischen Pressetheorie vom frühen 20. Jahrhundert, als kollektive Propaganda-, Agitations- und Organisationsinstanzen verstanden, die ihren Beitrag zum Aufbau des Sozialismus zu leisten haben. Dafür werden sie zwar auch verschiedenen Formen der Kontrolle unterworfen. Schaut man genauer hin, fällt aber doch noch anderes auf. Erstens herrscht eine große Titeldifferenzierung vor: Bis 1989 werden in der DDR 543 Zeitschriftentitel vertrieben, gut 150 davon im Segment der Publikumspresse. Zweitens sind viele der Publikumszeitschriften äußerst populär und erreichen Millionenauflagen. Und drittens machen auch DDR-Zeitschriften das, was Zeitschriften im Allgemeinen tun: Sie drucken mehr oder weniger verschiedene Text- und Bildformen heftweise zusammen; Formatgröße, Umfang, Periodizität und Mischungsgrad variieren auch hier erheblich.
Angesichts dieser Beobachtungen kann von Uniformität ebenso wenig die Rede sein wie von indoktrinierter Massenleserschaft. Möchte man DDR-Zeitschriften deshalb nicht als simple ‚Ideologie‘ abtun, so stellt sich die Frage nach einem angemesseneren Umgang mit ihnen. Können sie mit den Perspektiven und Kategorien analysiert werden, welche die periodical und magazine studies in den letzten Jahren vorgeschlagen haben? Diese basieren allerdings größtenteils auf Vorstellungen von einem ‚freien Markt‘ und von einer ‚freien Öffentlichkeit‘: Zeitschriften befriedigen hier Publikumsbedürfnisse, um gekauft zu werden, und sie sind Träger sich eigendynamisch entwickelnder Kulturen. Wovon ist aber die Titelentwicklung in der DDR gesteuert, wo Publikumsbedürfnisse nur bedingt marktförmig reguliert werden? Was verhandeln DDR-Zeitschriften, wenn sie so stark unter politischer Beobachtung stehen? Welche Methoden werden solchen Bedingungsgefügen gerecht? Über solche und ähnliche Fragen will der Workshop mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen diskutieren.
Die Veranstaltung wird ausgerichtet von Teilprojekt 8 der DFG-Forschergruppe 2288 »Journalliteratur: Formatbedingungen, visuelles Design, Rezeptionskulturen« sowie Madleen Podewksi. Als Diskutanten sind geladen Wolfgang Form und Patrick Rössler. Der Workshop wird in einem hybriden Format stattfinden.
PD Dr. Madleen Podewski, Freie Universität Berlin
Dr. Vincent Fröhlich, Philipps-Universität Marburg
Das Programm finden Sie hier.
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